Zwei Tage nach dem Zusammenbruch an meinem Geburtstag, ging ich zu meinem Hausarzt. Ich sagte, dass ich immer wieder Schwindelgefühle habe. Nach ein paar Tests saß ich dann im Sprechzimmer. Meine Hausärztin betrachtete mich kurz und fing an ein paar Fragen zu stellen. Es waren ganz einfache normale Fragen, wie: schlafen Sie durch? Essen Sie genug? Haben Sie Stress? Sie sah mich mitfühlend an, wie es meine Mutter auch manchmal macht. Was war nur los?
Die Wahrheit
Mir schnellten die Tränen in die Augen und ich begann zu erzählen. Zwischendurch brach mir die Stimme. Sie drückt mir eine Krankschreibung in die Hand und bat mich in zwei Wochen nochmal zu kommen. Zuhause meldete ich mich krank und schrieb an meine Freunde und meiner Familie die selbe Nachricht: „Es tut mir Leid, mir geht es nicht gut. Ich brauche eine Pause. Bitte respektiere das und sorge dich nicht. Ich melde mich bei dir, wenn ich soweit bin.“ Ich hatte versagt. Ich bin eingebrochen. Davor hatte ich immer die meiste Angst.
Erholung
Danach kroch ich zurück ins Bett und schlief. Ich schlief und weinte vier Tage lang. Als ich wieder etwas Energie gesammelt hatte, stand ich auf und duschte. Ich setzte mich auf den Balkon und ging die Nachrichten durch. Ich beantwortete nur ein paar davon. Zu mehr reichte die Kraft nicht. Nach den zwei Wochen war ich wieder bei meiner Ärztin. Sie war froh mich zu sehen. Sie schrieb mich weiter krank und fragte vorsichtig, ob ich denn in den letzten Tagen überlegt hätte, mir Hilfe zu holen. Soweit war ich noch nicht. Ich war noch zu erschöpft, zu leer, zu müde, um mir Gedanken zu machen. Ab und zu dachte ich an die Arbeit, an meinen Kollegen, der jetzt alles alleine stemmen muss… Dann weinte ich wieder. Ich fühlte mich nutzlos, schwach und überflüssig. Ich hatte versagt.
Die Rückkehr
Auch die nächsten zwei Wochen vergingen sehr schnell. Ich begann Freunde und Familie anzurufen, die Situation zu erklären, mein Versagen und meine Schwäche zuzugeben. Und ich traf auf… Verständnis! Die meisten haben es kommen sehen, keiner war verwundert. Außer mir. Ich war immun gegen Hilfe und erst jetzt bereit diese anzunehmen. Auch jetzt beim Schreiben kommen mir wieder Tränen. Tränen der Dankbarkeit für diese wunderbaren Menschen, die mich so sehr lieben und unterstützen. Ich hörte ganz oft den Satz: „Bitte lass mich jetzt dir etwas zurückgeben und für dich da sein.“
Insgesamt war ich sechs Wochen krank geschrieben. In den sechs Wochen hat sich viel verändert. Meine Schutzmauern sind nur noch Ruinen. Ich habe gemerkt, dass „Versagen“ alles andere als schlimm ist, dass ich nicht perfekt sein muss und dass ich Fehler machen darf. Dass ich Hilfe annehmen darf, dass ich nicht alleine bin und dass ich stärker bin, als ich dachte. Ich freute mich darauf wieder auf die Arbeit zu können, hatte aber gleichzeitig Angst davor. Angst zu den Kunden-Vampiren zurückzukommen, die meine Energie aussaugen. Angst davor, was die Kollegen denken. Angst vor den Fragen und Reaktionen. Angst vor dem überfüllten E-Mail-Postfach,…. Angst vor dem Hamsterrad.
Fünf Jahre lang bin ich auf den Abgrund zugesteuert und habe mich immer wieder fangen können. Bis zu meinem 29. Geburtstag. Dann kam der Sturz in den Abgrund und nichts und niemand konnte mich mehr davon abhalten. Auch konnte mich keiner auffangen – außer mir selbst.
Der Weg zum Abgrund
Traumjob oder Albtraum?
Ich hatte ein Praktikum nach dem Studium beendet und war jetzt auf Jobsuche. Die letzten Wochen war ich arbeitslos gemeldet und habe Arbeitslosengeld 2 bezogen. Ich war ziemlich verzweifelt und verloren und habe mich dementsprechend der Situation angepasst. Ich war Harzer, warum nicht auch nach dem Klischee handeln? Feiern bis morgens, ausschlafen bis zum Nachmittag, Stellensuche, Bewerbung schreiben, fertig machen und auf ins Nachtleben,…. Es war ein Teufelskreis und ich habe mich meinem Bild von einer Arbeitslosen angepasst. Natürlich war mir bewusst, dass ich mich nicht so gehen lassen sollte und selbst für mein Tun verantwortlich bin.
Nach zwei Monaten Suche, einigen Bewerbungsgesprächen und etlichen Absagen war es so weit: ich hatte ein Vorstellungsgespräch zur Account Managerin, welches ziemlich gut lief und bei dem ich ein richtig gutes Gefühl hatte. Dementsprechend habe ich mich auch gefreut, als der Anruf mit der Zusage kam. Nach ein paar Verhandlungen bezüglich Gehalt habe ich zugestimmt und direkt in der nächsten Woche angefangen. Mir war klar, dass ich unterbezahlt werde, viel verlangt wird und ich auch viel auf mich allein gestellt sein werde – immerhin war es ja ein Start-up. Aber gleichzeitig würde ich viel Verantwortung tragen, kann Ideen einbringen und zeigen was ich drauf habe!
Die ersten Monate dachte ich, ich hätte einen Traumjob gefunden. Die Kollegen waren super und ich habe mich mit allen sehr gut verstanden. Ok die Anrufe der Kunden während man etwas anderes tat waren etwas störend, aber gehört eben dazu. Auch, dass man regelmäßig Überstunden macht – die anderen bleiben ja auch noch da. Ich gab 120% und ging komplett in meinem Beruf auf. Ich liebte die Herausforderungen, den Wettbewerb und den Teamgeist. Dieser positive Stress, das Gefühl wichtig zu sein und natürlich einen Job zu haben, trieben mich immer weiter an. Auch nach der Arbeit saßen wir oft noch zusammen, haben über Gott und die Welt (hauptsächlich unsere Arbeit) gesprochen und ein bis drei Bierchen getrunken. Jeder, der diesen Start-up Spirit schon einmal erlebt hat, weiß sicher genau wovon ich spreche. So lässt man sich immer tiefer in den Sog ziehen und wird immer blinder für die Realität.
Wie es der Zufall wollte, bekam ich nach vier Monaten zusätzlich auch noch ein neues, wichtiges Projekt zugeteilt. Ein neues Sofware-Produkt! Meine Aufgabe war es Prozesse dazu auszuarbeiten, zu überlegen, wie man es den Kunden am Besten erklärt, erster Ansprechpartner bei Fragen zu sein und mich intensiv mit unserem Partnerunternehmen auszutauschen. Ich möchte dich nicht weiter mit Details bequatschen – kurz: mein Wunsch wurde wahr! Ich war nun mehr oder weniger komplett auf mich alleine gestellt und habe natürlich wieder volle Power gegeben. Dass mein Sozialleben darunter litt, war mir erstmal nicht so wichtig. Immerhin hatte ich jetzt mehr Verantwortung und eine neue Priorität.
Was mir nicht klar war, als man mir das Angebot machte, die Stelle zu übernehmen und ich natürlich hoch erfreut angenommen habe: meinen normalen Job sollte ich trotzdem weiter ausüben. Ja, du hast es richtig gelesen – ich hatte jetzt zwei Jobs parallel. Wie du dir vorstellen kannst lief das nicht lange gut. Nachdem ich immer wieder betont habe, dass ich das so nicht mehr stemmen kann, hat man mich gnädigerweise nach und nach von meinen alten Aufgaben abgezogen, damit ich neue übernehmen konnte.
Das heißt: ich war quasi raus aus meinem alten Team. Durch den Wachstum der Firma, kamen natürlich auch nach und nach neue Mitarbeiter dazu und es haben sich Grüppchen und leider auch eine Hackordnung gebildet. Ich kam mir irgendwann wieder vor wie in der Schule. Es wurden neue Bonussysteme eingeführt, die den Teamgeist zerstört haben, wodurch sich die Stimmung nach und nach immer mehr veränderte. Motivationssprüche wurden zu leeren Floskeln. Es wurde teils gegeneinander statt miteinander gearbeitet. Gehälter wurden nicht mehr pünktlich bezahlt, die Gehaltsverhandlungen und Feedback-Gespräche waren ein Scherz und ich war mittlerweile chronisch überarbeitet. Nach zweimonatigem Kampf bekam ich endlich Unterstützung und war nun selbst verantwortlich für ein kleines Team.
Natürlich hatte ich keinerlei Führungserfahrung und leider auch keinen richtigen Ansprechpartner bzw. keine Person, die ich mir als Vorbild nehmen konnte. Ich wusste allerdings, wie ich nicht führen wollte… Also habe ich mich selbst versucht in die neue Rolle einzufügen und bin dabei sehr angeeckt. Man drängte mich dazu mich für einen Führungsstil zu entscheiden. Ich weigerte mich. Auch jetzt bin ich noch der Überzeugung, dass man in einem Team nicht alle Personen gleich leiten kann. Jeder hat seinen eigenen Charakter und demnach muss man den einen eben strenger behandeln, den anderen mehr kontrollieren, der nächste braucht Freiraum und ein anderen Vorgaben bis ins kleinste Detail,…. Somit ergab sich jetzt folgendes Problem: die anderen Führungskräfte akzeptierten meinen Führungsstil nicht, meine Vorgesetzten setzten mich mit unrealistischen Vorgaben und Zielen unter Druck und mein Team hat meine Unerfahrenheit teils natürlich ausgenutzt.
Neben der Teamführung war ich selber dann auch noch im Tagesgeschäft wie ein normaler Vollzeit-Mitarbeiter tätig. Ich hatte also wieder zwei Jobs parallel. Ich begann die Arbeit also auch mit nach Hause zu nehmen. Während ich meine Freunde traf, war ich gedanklich bei der Arbeit, checkte unterbewusst sogar manchmal E-Mails und hatte auch kein anderes Gesprächsthema mehr. Mein Lebensinhalt war die Arbeit und mein Projekt. So hat sich nach und nach dann auch mein Freundeskreis verändert. Er bestand hauptsächlich noch aus Arbeitskollegen. Ich kann jeden verstehen, der sich damals abgewandt hat und genervt war. Für Kritik oder Ratschläge war ich taub. Die Person wusste ja nicht wie es mir geht und wovon sie da überhaupt spricht…
Das ganze zog sich insgesamt fast zwei Jahre. Ich rutschte immer tiefer in den Strudel, war immer häufiger krank, habe an den Wochenenden gearbeitet, mir kaum Auszeiten gegönnt. In meiner „Freizeit“ habe ich viel getrunken und gefeiert, krampfhaft versucht meinen Kopf auszuschalten und die Müdigkeit und schlechten Gedanken zu verdrängen. Ich wurde immer negativer, unzufriedener und gestresster. Bei Kleinigkeiten ging ich an die Decke. An Weihnachten saß ich eine Woche lang mit Fieber im Büro, weil ich meinem Kollegen frei gegeben hatte und sonst niemand die Arbeit übernehmen konnte. Ich habe meine ganze Energie und mein Herzblut in das Projekt gesteckt.
Immer wieder habe ich gesagt, dass ich kündigen muss, dass ich so nicht mehr weitermachen kann. Aber ich habe es nie getan. Wer sollte sich denn sonst um mein Team kümmern? Ich kann sie doch nicht einfach so hängen lassen. Auch mehr Gehalt und Ausgleichstage für Wochenendarbeiten haben den Reiz für mich verloren. Ich konnte sowieso nicht länger als eine Woche frei nehmen, weil sonst alles zusammengebrochen wäre – zumindest redete ich mir das ein.
Die Erlösung
Nach zwei Jahren war es dann soweit: das Projekt wurde eingestampft. Ich war frei. Und ich bin trotzdem geblieben. Nach all den Enttäuschungen, all der angestauten Wut, zu vielen leeren Versprechungen und der Ausbeutung, hatte ich immer noch nicht die Kraft zu gehen. Ich brauchte noch zwei weitere Monate bis ich endlich den Schlussstrich ziehen konnte und gekündigt habe. Ich klammerte mich so an den schönen Erlebnissen, den Kollegen, der Verantwortung fest, dass ich einfach nicht mehr loslassen konnte. Das Projekt war für mich wie ein eigenes Kind – und so lebte ich dann auch. Ich habe gekündigt, obwohl ich keinen anderen Job hatte. Ich hatte keine Energie mehr, keine Kraft, kaum noch Emotionen. Ich war nur noch eine Hülle und das wusste ich auch.
Ich hatte sowieso einen Monat Resturlaub und daher genug Zeit, mir etwas neues zu suchen. Der Monat war schnell vorbei – die meiste Zeit habe ich geschlafen und entspannt. Bereits vor meiner offiziellen Kündigung hat mich ein Ex-Kollege angeschrieben, dass er eine super Stelle für mich hätte, ob ich denn nicht mal vorbeikommen wollte.
Da ich ja nichts zu tun bzw zu verlieren hatte, besuchte ich ihn und war total begeistert: alle super nett und aufgeschlossen. Ein respektvoller Umgang, ein junges Team, sehr sympathische Gründer (ja klar war das wieder ein Start-up, was dachtest du denn?), ein kuscheliges Büro 15 Minuten zu Fuß von meiner Wohnung weg,….
Und täglich grüßt das Murmeltier…
Ich nahm die Stelle an. Sicher verdiente ich weniger als zuvor, es ist ja ein kleines Start-up. Ich wurde eingestellt mit dem Ziel, den Onboarding-Bereich für die Kunden aufzubauen und zu betreuen. Man wollte den Bereich auch schnell weiter ausbauen, das heißt man stellte mir direkt eine Beförderung in Aussicht. Denkst du ich hätte dazugelernt? Genau: nein! Ich glaubt den ganzen tollen Versprechungen und ließ mich wieder vom Start-Up-Schimmer blenden. Ich hatte im Kopf wie wunderbar meine Anfangszeit im letzten Unternehmen war und wollte genau das wiederhaben. Und ich verrate dir: es war noch viel besser!
Schnell habe ich mich wieder mit Kollegen angefreundet, obwohl ich dieses Mal Arbeit und Beruf strikt trennen wollte. Ich habe direkt wieder Gas gegeben – aber mich an die Arbeitszeiten gehalten. Hier war auch alles geregelter. Ja natürlich hat man nach Start-up Manier auch abends zusammen ein Bierchen getrunken. Aber nur eins und danach sind alle spätestens um halb 7 nach Hause. Es war eine wunderbare Zeit. Ich hatte viel Freiraum, genoss das Vertrauen und den Respekt, den man mir entgegenbrachte. Mein Körper hatte sich in den Wochen zwischen den Jobs natürlich noch nicht wieder ganz erholt, deswegen war ich weiterhin öfter krank. Aber auch hier wurde ich weder kritisiert noch verurteilt, sondern unterstützt und man hat sich eher gesorgt. Erfolge wurden zusammen gefeiert, man wuchs gemeinsam an den Herausforderungen und jeder war für jeden greifbar. Wir unterstützten uns gegenseitig und die Stimmung war super.
Es war toll die Entwicklung mitzuverfolgen, seinen Beitrag dazu zu leisten und zu sehen wie die Firma immer weiter wächst. Ich weiß nicht was das Geheimnis war, aber jeder neue Mitarbeiter hat sich perfekt eingefügt, obwohl wir alle starke Persönlichkeiten und teils wirklich unterschiedlich waren. Irgendwann zogen wir dann auch in ein neues Büro und hatten eine tolle Dachterrasse, auf der wir im Sommer noch länger verweilten. Ich nahm keine Arbeit mit nach Hause – außer im Kopf. Ich pflegte meine sozialen Kontakte und nahm mir auch Zeit für mich.
Du denkst vielleicht: wow Jackpot! Ja ich damals auch. Mit dem Wachstum der Firma, wuchs auch der Kundenstamm. Irgendwann kam ich nicht mehr dazu die Prozesse zu optimieren, sondern war nur noch mit der Betreuung der Neukunden beschäftigt. Ich machte immer häufiger Mittagspause am Platz und nicht mehr mit den anderen in der Küche. Mein Terminkalender wurde immer voller. Das war danna uch der Zeitpunkt, an dem ich begann nachzufragen, wann den in meinem Bereich neue Mitarbeiter eingestellt werden? Ich wurde vertröstet. Es wurden immer mehr Kunden, die Arbeit staute sich immer weiter auf, obwohl ich weiterhin Vollgas gab.
Ich hing immer mehr in Terminen fest, war kaum noch am Platz, sondern in Meetingräumen und dadurch wurde ich immer weiter isoliert. Es kam wie es kommen musste: ich erreichte wieder den Punkt, an dem ich komplett ausgelaugt war, komplett überarbeitet und neben der Spur. Ich wollte aber nicht wieder in die selbe Situation rutschen und mein Privatleben vernachlässigen. Deswegen knallte ich mir auch die Abende mit Treffen mit Freunden oder der Familie voll. Irgendwann führte ich den „Gollum-Sonntag“ als Tag für mich selbst, an dem ich nicht erreichbar bin, ein. Da ich aber zum Ausgleich auch wieder viel feierte, lag ich an dem Tag meistens im Bett oder auf der Couch. Ich war müde.
An Weihnachten saß ich bei meiner Familie. Sie unterhielten sich. Ich konnte nicht hören, was sie sagten. Ich war nur noch apathisch, nur noch körperlich anwesend. Im Januar habe ich in einem Gespräch mit meinen Vorgesetzten gesagt, dass ich so nicht mehr arbeiten kann, dass ich emotional und körperlich an meinen Grenzen bin und ich bald zusammenbrechen werde. Zwei Monate später bekam ich Unterstützung. Aber es war zu spät. Ich sammelte noch mal alle übrigen Kräfte. Und dann fiel ich in den Abgrund.
Der Sturz in den Abgrund
Es war Mitte Juli, ein schöner Sommertag. Ich hatte am nächsten Tag meinen 29. Geburtstag. Abends war eine kleine Party im Biergarten mit meinen Freunden geplant. Dafür war ich einkaufen und kam auf die Idee: ich sollte noch etwas für meine Kollegen backen. Zuhause fing ich dann damit an. Ich habe immer gern gebacken – vor allem in meiner Kindheit/Jugend. Dadurch, dass meine Küche sehr klein ist und man wenig Platz hat, habe ich irgendwann damit aufgehört. Du musst wissen, dass ich auch ganz gut backen kann. An diesem Tag war ich mit den Gedanken direkt schon wieder weiter und wo anderes und erwischte Pfeffer statt Zimt, weil die direkt nebeneinander standen.
Ich wurde wütend! Was kann ich denn eigentlich? Nicht einmal so einen beschissenen Kuchen bekomme ich hin! Ich bin dumm, ich bin ein Nichts und wertlos. Ich schnappte mir die Schüssel, kippte den Teig ins Klo und setzte mich mit der Flasche Wein auf den Balkon. Dort telefonierte ich mit ein paar Freunden und machte Witze über meine Tollpatschigkeit. Ich wollte in diesem Moment nicht alleine sein. Ich habe gemerkt, dass etwas in mir zerbrochen ist. Irgendwann saß ich dann doch alleine da. Rauchte eine Zigarette nach der anderen und trank die Flasche und noch eine weitere leer. Innerlich war ich auch leer.
Am anderen Tag stand ich auf, um mich fertig zu machen. Ich ging ins Bad. Und kam auf dem Boden wieder zu mir. Ich zog mich hoch, setzte mich kurz hin – ich habe seit der Pubertät im Sommer Kreislaufprobleme, daher war das nichts Ungewöhnliches. Ich ging in den Flur, wollte zu meinem Handy. Irgendwann kam ich dort wieder zu mir. Alles was ich dann erstmal noch schaffte, war mich krank zu melden, den Abend abzusagen und mich ins Bett zu schleppen. Nachdem ich dann Mittags beim Arzt (er hatte mich den Rest der Woche krank geschrieben) und wieder in der Wohnung war, kroch ich direkt in mein Bett. Ich wollte sterben. Ich war leer. Ich habe mich geschämt. Ich konnte nicht einmal weinen. Ich hatte keine Kraft noch einmal aufzustehen. Ich wollte einfach nicht mehr existieren….
Was war passiert? Ich bin schön die Burn-Out Leiter hochgeklettert:
In Zeiten von Corona, sind viele von uns gezwungen im Home Office zu bleiben und so weiter zu arbeiten. Für viele klingt das erstmal super, allerdings solltest du dabei einige Faktoren beachten, um weiterhin geregelt deiner Zeit und Arbeit nachzugehen. Natürlich denkt man erstmal, dass man entweder zu viel oder zu wenig leistet. Gerade die unter uns, die grundsätzlich eher ehrgeizig und perfektionistisch veranlagt sind, tendieren dazu zu viel und zu lange zu arbeiten. Damit du das Home Office ohne schlechtes Gewissen optimal nutzen kannst, hier meine persönlichen Goldenen Regeln des Home Office:
Regel #1 : Halte die Arbeitszeiten ein!
Natürlich neigen Langschläfer dazu endlich länger im Bett liegen zu bleiben, den Laptop dann fünf Minuten vor Arbeitsbeginn hoch zu fahren und sich währenddessen noch kurz den ersten Kaffee durchlaufen zu lassen. Vielleicht bist du auch ein Frühaufsteher und sitzt schon lange davor am Laptop, um als Erstes online zu sein und zu beweisen, wie fleißig du schon arbeitest. Mein Tipp: starte pünktlich, aber nicht zu früh und nicht zu spät! Das gilt auch für den Feierabend. Sicher kannst du noch schnell diese eine Sache erledigen – das kannst du aber auch morgen tun. Stelle dir am Besten Wecker, um pünktlich zu beginnen und aufzuhören. Kein Arbeitgeber sollte gerade im Home Office von seinen Mitarbeitern verlangen Überstunden zu machen. Solltest du Gleitzeit haben und dir die Zeit auch im Home Office frei einteilen können, dann achte darauf wann du produktiv bist und plane deinen Tag danach.
Regel #2 : Pausen sind wichtig!
Und das bringt mich direkt zum nächsten Punkt: Achte auf Pausen! Zum einen solltest du natürlich die Mittagspause, aber auch ein paar kleinere Pausen einplanen. Klassischerweise wird sich schnell etwas zum Essen gemacht und parallel zur Arbeit gegessen. Lass das! Gönne dir deine Stunde, danach bist du produktiver und wieder konzentrationsfähiger. Es gibt kein Multi-Tasking und wenn du parallel isst, übersiehst du leichter Dinge, machst Fehler oder verkleckerst deine Arbeitsutensilien 😉
Außerdem solltest du auch mehrere kleiner Pausen einplanen (spätestens nach 2 Stunden). Die kannst du zum Lüften nutzen, für einen Kaffee, ein Powernap, um dir kurz die Beine zu vertreten,… Auch hier solltest du dir Zeiten einplanen und ggf. einen Wecker stellen. Du denkst jetzt wozu? Diese Pausen ersetzen deinen kurzen Plausch mit dem Kollegen, du bist wieder konzentrierter und du vergisst deine natürlichen Bedürfnisse wie trinken, essen, Toilette,… nicht. Klingt lustig? Passiert aber leichter als du denkst, weil du oftmals so ungestört und vertieft arbeiten kannst, dass du komplett den Fokus und die Zeit aus den Augen verlierst.
Regel #3 : Plane deine Aufgaben!
Gut, das mit den Pausen ist geklärt. Aber plane grundsätzlich deinen Tag vom Zeitpunkt, an dem du aufstehst bis Feierabend und halte dich daran. Verplane nicht alles, sondern maximal 50% deiner Arbeitszeit – die restlichen füllen sich auch im Home Office von alleine. Nur weil du im Home Office bist, heißt das nicht dass du rund um die Uhr auch erreichbar bist. Lege Zeiten fest, an denen du deine Mails checkst, im Firmenchat aktiv und verfügbar bist und auf Rückfragen etc. eingehen kannst. Kommuniziere deine Zeiten auch an die Kollegen, damit hier keine Vorwürfe oder Verdächtigungen entstehen. In der Zwischenzeit werden alle Störfaktoren ausgeschalten. Auch der Fernseher – höre besser leise Musik.
Regel #4 : Kommunikation bleibt das A und O!
Gerade im Home Office ist es wichtig weiterhin offen miteinander zu kommunizieren. Verabrede dich zu virtuellen Pausen, stelle Hangout Meetings zur Abstimmung ein und teile deine Ziele und Aufgaben. So hat keiner Angst der andere macht zu wenig, ist sauer, weil der Kollege nicht direkt erreichbar ist oder fühlt sich gestört, weil schon wieder das Telefon klingelt. Grundsätzlich sollte auch aus Sicht der Geschäftsleitung das Vertrauen da sein, dass die Mitarbeiter auch von zu Hause aus ihr Bestes geben und sie nicht ständig kontrolliert werden müssen. Sprecht Probleme weiterhin direkt an, gebt Feedback, setzt realistische Deadlines,…
Regel #5 : Schaffe dir einen Arbeitsplatz!
Arbeite wenn möglich nicht vom Bett oder Sofa aus, sondern schaffe dir einen Platz, an dem du möglichst ungestört und konzentriert arbeiten kannst. Das heißt, du musst versuchen eine räumliche Distanz zwischen privat und Beruf schaffen. Das kannst du machen, indem du in der Küche arbeitest, einen Raumtrenner nutzt (oder bastelst – musst du nicht eh Wäsche waschen;) ) oder vom Balkon aus arbeitest. Wichtig ist: du musst dich wohl fühlen, wechselst nach Feierabend oder in der Pause aber den Sitzplatz – nur so kannst du dann auch abschalten und schreibst nicht um 22 Uhr noch schnell die E-Mail, weil dir das gerade spontan einfällt und es natürlich waaaahnsinnig wichtig ist…
Nutze wenn möglich auch deinen Arbeitslaptop und ein Diensthandy und nicht deine privaten Sachen. Achte auf gute Luft, genug Licht und Bewegungsmöglichkeiten. Wenn du über Hangouts erreichbar bist, sollte jetzt auch nicht unbedingt der Stapel Schmutzwäsche direkt im Hintergrund sichtbar sein. Kleiner Tipp: wenn es dir schwer fällt ohne zweiten Bildschirm auszukommen, dann schaffe dir einen z.B. durch ein HDMI-Kabel und deinen TV-Bildschirm.
Notfall Home Office
Regel #6 : Zieh dich an!
Jaaaa ich weiß es ist verführerisch im Schlafanzug oder der Jogginghose zu bleiben. Aber: so wirst du weniger produktiv sein, schneller in der Arbeit versumpfen und bei einem länger andauernden Home Office wirkt sich das auch negativ auf die Psyche aus. Sei professionell und bereite dich aufs Home Office wie auf das Büro vor: Zähne putzen, duschen, anziehen,… Anzug und Krawatte kannst du weglassen, aber zieh dir zumindest eine ordentliche Hose an.
Hast du weitere Goldene Regeln des Home Office? Dann lasse mich an deinem Wissen teilhaben. Gemeinsam schaffen wir es auch durch die Home Office – Phase!
Herbert Freudenberger und Gail North haben ein 12 – Schritte Modell erstellt, wie sich ein Burnout entwickelt. Ich habe dieses Modell adaptiert und für dich versucht anschaulich zu erklären. Wichtig ist, dass die Stufen zum Burnout nicht immer zwangsläufig in dieser Reihenfolge stattfinden, sich teils überlappen und es manchmal nur ein falsches Wort, ein falscher Blick oder ein Termin bis zum Erreichen der nächsten Stufe Richtung komplettem Burnout ist.
Stufe 1: Der Zwang sich zu beweisen
Das kann ein neuer oder erster Job sein. Du willst alles gut machen und dich möglichst schnell einarbeiten. Im Gegenzug erhälst du Lob und Anerkennung. Du willst dich beweisen und dir dein Geld verdienen. Du gehst auf keinen Fall früher nach Hause – auch wenn man es dir anbietet. Du willst keinen schlechten Eindruck hinterlassen, möglichst keine Fehler machen und passt dich deinen neuen Kollegen an.
Es ist ganz natürlich im Job 100 % geben zu wollen, aber du solltest dir darüber bewusst sein, dass das schnell als Standard und normal angesehen wird. Daher gehe die Dinge langsam an, nimm dir Zeit um in die Arbeitsabläufe rein zu finden und stürze dich nicht mit vollem Elan in die Arbeit.
Stufe 2: Verstärkter Einsatz
Wenn man erst einmal die Arbeitsabläufe verstanden hat, kommt man auch schneller voran. Du willst jetzt noch besser werden, keine Fehler mehr machen, schneller arbeiten,… um zu beweisen, dass du es wert bist. Du willst weiterhin Lob und Anerkennung und vielleicht ja auch die Probezeit verkürzen oder schnell befördert werden. Die Arbeit ist dir wichtig und du möchtest möglichst keine Aufgaben liegen bleiben lassen, sonst hast du ein schlechtes Gewissen. Notfalls isst du am Arbeitsplatz, verkürzt die Pausen oder bleibst einfach mal länger/kommst früher, um alle Aufgaben ganz rasch zu bearbeiten.
Dein Chef freut sich darüber, dass du so schnell rein gefunden hast – oder erwartet sogar, dass du nach einer gewissen Zeit deine Aufgaben schon so gut kennst. Du bekommst mehr Verantwortung und zusätzlich Aufgaben.
In dieser Phase solltest du dir bewusst machen, dass es Aufgaben und Arbeiten gibt, die einfach niemals fertig werden! Gerade im Software-Bereich oder in der Beratung: das Produkt wird sich ständig weiterentwickeln, es wird immer neue Kunden und Aufgaben geben. Mache dir bewusst, dass es in Ordnung ist nicht alle Mails an diesem Tag direkt beantwortet zu haben oder dass die neue Funktion noch ausbaufähig ist, du aber vielleicht erst noch Erfahrungswerte/Feedback sammeln musst. Lass dich nicht von falschem Perfektionismus antreiben.
Stufe 3: Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
Du bekommst positive Reaktionen für deinen Einsatz. Du bist vielleicht sogar besser, schneller und erfolgreicher im Vergleich zu direkten Kollegen. Es läuft super und du fühlst dich auch gut! Du belächelst den Kollegen A, weil er so langsam tippt. Oh mist, du hast den Anhang in der Mail vergessen – wie peinlich. Schnell noch hinterherschicken! Und jetzt sind es nur noch 5 Minuten zum Meeting. Hoffentlich merkt keiner, dass du improvisierst, weil du deine Prioritäten falsch geordnet hast.
In dieser Stufe passieren dir selbst auch bereits erste Fehler. Du vergisst einen Termin, einen Call, ein Meeting vorzubereiten, etwas rechtzeitig zu bestellen,… Und das obwohl du natürlich versuchst an alles zu denken und nichts zu vergessen oder zu übersehen. Du fühlst dich ertappt und schlecht dabei oder? Du gibst doch dein Bestes, da passieren doch keine Fehler. Du garantierst dir und anderen, dass es nicht wieder vorkommen wird. Vielleicht wurde der Kollege oder Chef auch wütend darüber und du hast Angst wieder etwas falsch zu machen. Du hast jetzt ja noch mehr Aufgaben bekommen und das ist eine Chance für dich.
Nach der Arbeit bist du müde und willst am Liebsten auf die Couch. Aber du hast ja auch noch Freunde und deine Familie, mit denen du Zeit verbringen möchtest. Und Sport zum Ausgleich! Was ist mit der Work-Life-Balance? Die ist doch wichtig? Und du bist doch voller Motivation – das bekommst du natürlich alles unter einen Hut! Du bist tough und stark und regelst das schon!
In Stufe 3 solltest du darauf achten, dass es ok ist auch mal etwas zu vergessen oder falsch zu machen – du bist keine Maschine! Außerdem versuche dich zum Ausgleich neben der Arbeit auch noch sozial zu übernehmen. Es ist ok auch mal „Nein“ zu sagen oder eine Verabredung zu verschieben. Wichtig ist aber die ehrliche Kommunikation! Deine Freunde und Familie werden es verstehen, wenn du auch mal einen anstrengenden Tag hattest. Erfinde keine Ausrede, dadurch hast du nur ein schlechtes Gewissen und fühlst dich schlecht. Achte auf dich selber, schaffe dir Freiraum und suche dir deine Energiespender, bei denen du auftanken kannst. Sei es beim Sport, Essen mit Freunden, einem Schaumbad,… Du darfst dich und deine Bedürfnisse nicht vernachlässigen, denn an dieser Stelle ist es nur ein Schritt bis Burnout Stufe 4.
Stufe 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
Um alles unter einen Hut zu bekommen, schläfst du weniger. Auch wachst du nachts öfter auf, träumst vielleicht sogar schon von der Arbeit und schreckst hoch, weil dir einfällt, dass du das mit dem Kunden unbedingt noch abklären musst! Das machst du morgen früh gleich als Erstes! Du fühlst dich etwas ausgelaugt und diese Kopfschmerzen, die du in letzter Zeit öfter hast. Eine Erkältung ist auch noch im Anmarsch…
Und deine Freunde und Familie sind genervt, weil du so viel von der Arbeit redest und ihnen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit schenkst. Aber deine Arbeit ist ja schließlich wichtig! Du verbringst dort die meiste Zeit deines Tages, deine Existenz hängt davon ab und du verdienst damit dein Geld. Die verstehen das einfach nicht…. Verdammt, jetzt kommst du auch noch zu spät und du hast vergessen A Bescheid zu geben, dass du noch Feedback zur nächsten Präsentation bis zum Mittag brauchst. Ach da sagt schon keiner was, du machst ja schließlich einen super Job und das ist eben eine Ausnahme. Außerdem isst du einfach am Platz und überarbeitest da die Präsentation.
Trotzdem fühlst du dich schlecht. Das passiert nicht nochmal! Du darfst jetzt auch nicht krank werden – wer kümmert sich denn sonst um die Aufgaben? Und was denken die Kollegen dann von dir? Und dein Chef braucht doch die Auswertung bis morgen… Nein du zeigst keine Schwäche und das geht schon vorbei. Das ist ja nur eine Phase. Und die Aufgabe abgeben? Auf keinen Fall!
Du verdrängst hier nicht nur deine Bedürfnisse, sondern es zeigen sich in dieser Stufe auch schon erste körperliche Symptome. Gute Ratschläge vom besorgten Umfeld werden abgetan. Die Arbeit gewinnt immer mehr an Stellenwert. Du hast Angst zu Versagen und den Anforderungen nicht gerecht zu werden – vielleicht auch vor einer Abmahnung oder sogar Kündigung.
Der Druck erhöht sich. Gönne dir deine Pausen! Zeige klare Grenzen auf und sage auch „Nein“ – natürlich höflich und respektvoll, aber trotzdem bestimmt. Wenn du krank bist, bist du krank! Dein Körper sendet hier schon erste Warnsignale. Nimm sie ernst und ruhe dich aus. Und ja: Handy und E-Mails dürfen an der Stelle ignoriert werden!Sprich deine Sorgen offen an und suche dir Rat bei der Person deines Vertrauens. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, sich um das Wohl der Mitarbeiter zu kümmern. Möglicherweise hilft auch hier ein offenes und klärendes Gespräch.
Stufe 5: Umdeutung von Werten
Du beginnst deine Überzeugungen zu ändern. Früher standen Partner, Freund und Familie an erster Stelle – jetzt ist es dein Job. Und genau jetzt bekommst du mehr Verantwortung. Wow super, du bekommst eine Gehaltserhöhung! Und bald wirst du befördert. Aber erst, wenn dieses ganz wichtige neue Projekt abgeschlossen ist. Endlich werden dein Ehrgeiz und deine Leistungsbereitschaft belohnt. Hm, aber du hast erstmal noch weniger Freizeit, weil dein Aufgabenberg immer weiter anwächst. Ach das ist ja nur bis Oktober so…
Aber es zahlt sich ja aus! Und bald kannst du dann in den Urlaub, dir diese tolle Jacke kaufen,… Und deine Mutter bekommt zum Geburtstag ein ganz tolles Geschenk – dann kann sie sich ja nicht mehr beklagen, weil du dich nicht genug meldest.
Während dem Abendessen mit Freunden checkst du nur noch kurz deine Mails – ihr wartet ja eh noch auf den Kellner. Wieso sind sie denn jetzt sauer? Sie haben doch selber Jobs bzw. wissen ja gar nicht wie das ist, so viel Verantwortung oder Angst um seine Postion zu haben. Wenn dieser Idiot nur endlich die neuen Zahlen schicken kann… Und der Chef braucht vielleicht nochmal Hilfe, der sitzt ja auch noch im Büro.
Du empfindest die Arbeit mittlerweile selbst als Belastung und bist gestresster. Deine Wahrnehmung und deine Werte verändern sich. Du beginnst unabsichtlich Leute, die dir wichtig sind zu verletzten. Du härtest ab, wirst stumpf und auch berechnend. Vielleicht suchst du nach weiteren Vorteilen für dich, wie du einen Konkurrenten aus dem Weg räumen kannst oder dich noch mehr abgrenzt. Es entstehen immer häufiger Differenzen und Konflikte – privat und auch beruflich. Besinne dich auf deine Werte! Ist es das wert? Was passiert im Schlimmsten Fall, wenn du nach Feierabend nicht mehr erreichbar bist? Wird das wirklich verlangt? Und kannst du das so akzeptieren?
An dieser Stelle solltest du wirklich hinterfragen, was dir wirklich wichtig ist und ob du bereits bist Opfer zu bringen und den Preis des „beruflichen Erfolgs“ zu zahlen. Möglicherweise gibt es Alternativen? Es ist jetzt extrem wichtig mit deinen Vertrauten und auch mit deinem Vorgesetzten zu reden, um nicht weiter in der Burnout-Spirale aufzusteigen! Auch wenn es nicht leicht ist: Kommuniziere deine Gefühle und Bedürfnisse – dein Gegenüber ist kein Mentalist und nimmt die Situation vermutlich anders wahr als du selbst!
Stufe 6: Verleugnung der Probleme
Du ignorierst die Warnungen. Du bleibst nicht krank zu Hause, sondern du kommst natürlich auf die Arbeit. Du kommst langsamer voran, kannst dich weniger konzentrieren und baust weitere Fehler mit ein. Das kann doch nicht sein, du weißt doch wie es richtig geht! Verdammt wie ist das denn jetzt wieder passiert. Du könntest schwören, dass du… Oh nein, der Chef schaut schon so böse!
Und natürlich grinst A jetzt auch noch so schadenfroh! Der soll gar nicht so tun, als ob er es besser könnte! Wieso hat er eigentlich diesen Bericht noch nicht fertig? Musst du denn alles alleine machen? Sind denn hier nur unfähigen Leute? Und deine Freunde zeigen auch kein Verständnis dafür, dass du es heute nicht rechtzeitig zum Kino schaffst. Du willst nur heim, dir eine Pizza in den Ofen schieben und dich auf der Couch verkrümeln. Da kannst du dann auch den Bericht in Ruhe fertigstellen – bei dem Lärm hier kann sich doch kein Mensch konzentrieren… Und die Jeans drückt auch noch. Wann warst du eigentlich das letzte Mal beim Sport?
Du wirst zunehmend zynisch, verbittert und gereizt. Vielleicht sogar aggressiv und laut. Du bist ungeduldig, mit dir selbst und anderen. Die Fehler häufen sich und du kannst weniger leisten. Du fühlst dich von deinen Freunden/der Familie unverstanden und im Stich gelassen. Hobbys und Sport werden komplett gestrichen, da du einfach keine Zeit mehr dafür hast. Dir fehlt die Energie, du ernährst dich von Fastfood. Und deine Wohnung versinkt auch nach und nach im Dreck. Du versuchst hier deine letzten Reserven zu nutzen. Aber ist es das wert? Zu welchem Preis?
An dieser Stelle ist es schon sehr schwer von alleine wieder aus der Burnout-Spirale auszubrechen. Sprich mit jemandem darüber und springe aus dem Rad, solange du noch kannst!
Stufe 7: Rückzug
Um dich besser zu konzentrieren, ziehst du dich zurück. Die Kollegen sind dir mittags in der Küche zu laut, deswegen isst du später oder am Platz. Und du hast keine Lust auf diese Sticheleien und blöden Fragen, was du am Wochenende machst. Außerdem hat A gestern bemerkt, dass deine Präsentationen immer gleich aussehen. Na dem wirst du es jetzt zeigen – von wegen immer gleich! Und dein Chef? Im letzten Gespräch hat er angemerkt, dass du dir die Vorschläge zum neuen Projekt nochmal ansehen solle und er bessere Ideen erwartet. Was denkt der denn, wann du die ausarbeiten sollst?
Und heute Abend ist auch noch der Geburtstag von einer Freundin. Eigentlich hast du gar keine Lust und Kraft hinzugehen. Du willst ihr ja die Party nicht versauen… Ach zwei Bier und dann geht das schon! Dann wird das lustig werden – sie freut sich ja auch und du bist mal wieder raus gekommen. Dafür darfst du den Rest vom Wochenende zu Hause bleiben und dir diese neue Serie auf Netflix anschauen. Du könntest auch Essen bestellen… Oh das hört sich doch toll an! Jetzt nur noch diese Mail zu Ende schreiben.
Du schaffst es nur noch deine Hauptaufgaben zu tun – die Aufgaben, die dir Spaß machen, bleiben häufiger liegen. Dir fehlt langsam nicht nur die Energie, sondern auch die Freude für die Arbeit. Du bist nur noch am rotieren. Und müde. Kritik prallt an dir ab, die Leute sind ja eh alle nur neidisch und wollen dir schaden. Du suchst Ersatzbefriedigungen für die Leere, die langsam entsteht. Netflix, Essen, Alkohol, vielleicht auch Drogen, um dein Level zu halten…
Und du versuchst dir bloß nichts nach außen hin anmerken zu lassen. Du willst keine Schwäche zeigen – etwas das leider nur von dir so interpretiert wird. Aus Selbstschutz distanzierst du dich und musst dich zu den Dingen zwingen, die dir früher Freude bereitet haben. Du bist auf dem Besten Weg dich zu zerstören! Hol dir bitte unbedingt Unterstützung und treibe es nicht bis zur Spitze! Du riskierst beim Burnout nicht nur deine Gesundheit, sondern auch Freunde, Familie und Partner zu verlieren. Vielleicht sogar deinen Job – also wach auf!
Stufe 8: Verhaltensänderung
Was hat sie da gerade gesagt? War das wichtig? Hm egal, sonst wird sie es schon nochmal sagen… Oh Gott, dein Hals kratzt – wirst du jetzt schon wieder krank? Du solltest direkt noch eine Tablette einwerfen! Bloß jetzt nicht krank werden. A schaut schon wieder so rüber, der denkt bestimmt, dass du gar nicht richtig zuhörst. Gestern hat er gefragt, ob er vielleicht präsentieren solle. Als ob du ihm das abgibst, nachdem du schon so viel Zeit investiert hast! Ups, ist das dein Einsatz? Einfach mal Nicken. Mist, jetzt hast du dich dazu bereit erklärt, den Neuen durchs Büro zu führen – du hast doch eh so wenig Zeit.
Du wirkst apathisch, die Leute machen sich Sorgen. Du bist paranoid und hast Angst um deine Position. Du bist ständig im Verteidigungsmodus, weil du auch gut gemeinte Ratschläge oder Hilfe als Vorwurf und Bedrohung wahrnimmst. Alles wird nach und nach zur Belastung. Du kannst schon gar nicht mehr richtig zuhören und willst nur noch deine Ruhe haben. In dieser Stufe hast du dein Verhalten, deine Persönlichkeit schon bereits grundlegend geändert.
Früher hast du gerne neuen Kollegen geholfen – jetzt ist es eine Belastung. Wo dir sonst die Geschichten deiner Familie und Freunden wichtig waren, kannst du heute kaum noch zuhören. Du verschwindest langsam immer mehr… Bist du wirklich der Mensch, der genau das gesagt hat? Hast du dich heute wirklich so verhalten? Willst du das wirklich? Wie hättest du vor zwei Jahren darauf reagiert? Nutze die Fragen der Selbstreflektion und hinterfrage, ob du wirklich noch „du“ bist.
Stufe 9: Depersonalisation
Du bist gar nicht mehr wirklich da. Du rennst jeden Tag in einem Hamsterrad, das du dir selbst gebaut hast. Aufstehen, arbeiten, heim, essen, schlafen, aufstehen,… Einkaufen gehen? Ist dir gerade zu viel – wozu gibt es Lieferservices…
Jetzt merkst du selber, dass du nicht mehr du selbst bist. Wie eine Puppe an den Schnüren, fühlst du dich gefangen und fremdgesteuert. Du vernachlässigst dich und dein Umfeld immer mehr. Du bist gerade dabei dich selbst komplett zu verlieren. Deswegen stelle dir noch einmal die Frage: Wer bist du und wer willst du sein? Ist es das wirklich wert? Oder solltest du endlich einen Schlussstrich ziehen und dir eine Pause gönnen? Ich sage dir: Hol den Stift raus und zieh die Grenze! Es fehlt nicht mehr viel zum Burnout.
Stufe 10: Innere Leere
Der Wecker klingelt. Wozu sollst du denn aufstehen? Bringt doch eh nicht viel. Und du fühlst dich so kraftlos. Vielleicht solltest du besser zu Hause bleiben. Aber dann bleibt alles liegen und du musst dich morgen darum kümmern. Na gut, erstmal ins Bad. Verdammter Durchfall…
Jetzt musst du dich langsam sogar zwingen zur Arbeit zu gehen. Du fühlst dich nutzlos, kraftlos, ausgezehrt, hast vielleicht sogar Angst davor wieder hin zu gehen. Du hast auch körperliche Probleme, z.B. mit dem Magen. Langsam bist du nur noch eine leere Hülle. Gehe nicht zur Arbeit, sondern zu einem Arzt, dem du vertraust und lass dir helfen! Du hast zu viele Grenzen überschritten und ein paar Tage Urlaub werden dir an dieser Stelle nicht mehr helfen. Du bist mittlerweile ausgebrannt – hallo Burnout!
Stufe 11: Depression
Wozu tust du das hier überhaupt noch? Du machst nur noch Fehler. Du bist schwach und nutzlos. Du denkst du willst nur noch ins Bett – und morgen nicht mehr aufwachen, damit du niemandem zur Last fällst.
Verzweiflung, Selbsthass, Wertlosigkeit, Erschöpfung,… du hast nun alle Symptome einer Depression. Du hast keine Kraft mehr, keine Energie. Du brauchst nun wirklich Hilfe, alleine schaffst du es nicht mehr raus. Du hast dir selbst einen Käfig gebaut und der Raum wird kleiner. Es gibt einige Hilfsstellen, an die du dich wenden kannst. Beim starken Burnout ist eine Depression immer mit dabei. Lass sie nicht weiter wachsen und dein Leben zerstören!
Stufe 12: Völlige Erschöpfung
Du hast dein Oberteil falsch rum an. A weißt dich darauf hin – und du brichst in Tränen aus und dann zusammen…
Die Spitze des Burnout ist nun erreicht: der komplette emotionale und psychische Zusammenbruch. Oft reicht nur eine Kleinigkeit aus und das sehr zerbrechliche Kartenhaus, stürzt in sich zusammen.
Ich hoffe du lernst es nicht auf die harte Tour und wirst diese Stufe niemals erreichen. Leider lassen es viel zu viele Menschen darauf ankommen. An dieser Stelle gibt es nur noch wenige Auswege – für manche endet es sogar im Suizid. Bitte nimm die Hilfe an, die du bekommst! Vertraue mir – es wird wieder besser! Nein, es wird nicht einfach, aber es gibt so viele andere Lösungen. Du musst nur den nächsten Schritt gehen und ehrlich zu dir selbst sein – ehrlich zu deinem Umfeld und ich verspreche dir: du wirst überrascht werden!
Du bist nicht alleine und wenn du dich niemandem aus deinem Umfeld anvertrauen kannst oder willst: ich höre dir gerne zu! Ich kann dich verstehen und ich kann dir weiterhelfen!
(Quelle: Gabriel T: Burnout – Leitfaden zur betrieblichen Gesundheitsföderung in Großbetrieben. Mit Fokus auf die Rolle von Führung und Schichtarbeit. Wien: Fonds Gesundes Österreich, 2010.).
Ich möchte dir gerne etwas über mich und meinen Weg erzählen. Keine Angst, ich werde nicht mit meiner Kindheit anfangen, sondern werde dich direkt bei meinen ersten großen Schritt ins „Erwachsenen-Leben“ – und auch den ersten Schritt Richtung Burnout – abholen.
Abi – und jetzt?
Damals stand mir gefühlt die Welt offen und ich konnte endlich frei und unabhängig sein. Ich hatte mein Abi endlich geschafft – keine Schule mehr, keine Vorschriften, kein Zwang! Endlich frei! Dachte ich zumindest.
Natürlich war ich jetzt frei, aber was ist der nächste Schritt? Wie wird es jetzt weiter gehen? Was mache ich? Studieren wollte ich nicht, ich hab ja schließlich lange genug gelernt, Prüfungen abgelegt und mich in Lehrbüchern vergraben. Das wäre ja genau das selbe, was ich jetzt hatte. Nein ich werde eine Ausbildung machen und wenn ich will, kann ich ja später immer noch studieren.
Also was mache ich jetzt? In meiner Ratlosigkeit habe ich Beruftests zu Stärken und Schwächen durchgeführt, ich habe Broschüren vom Arbeitsamt durchgeblättert, habe mich umgehört, was die Pläne der anderen sind,… Aber irgendwie nichts Passendes gefunden. Sooo schwer kann das doch nicht sein! Langsam fragen schon alle, was ich jetzt tun werde und ich schäme mich tatsächlich ein bisschen, weil ich gar so planlos bin… Meine Mutter fragt mich eines Tages beim Frühstück: „Sagmal was kannst du eigentlich?“
Du darfst das jetzt nicht falsch verstehen – das war keine böse Frage! Nein sie fragt es ganz sachlich und ruhig und ich werde nachdenklich. Ich kann gut lesen. Ich mag Bücher. Hab ich da nicht was über eine Ausbildung zur Buchhändlerin gelesen? Und dann geht es Ratzfatz: Bewerbungen schreiben, Vorstellungsgespräche, Probearbeiten und da habe ich meinen ersten Job. 250km von zu Hause weg, endlich frei und raus aus dem Dorf – rein in die Stadt! Na gut, keine Großstadt, aber immerhin 70.000 Einwohner. Ich habe mir meine erste eigene Wohnung gesucht und bin innerhalb von einem Monat umgezogen.
Learning by Doing…
Neue Herausforderungen
Mit dem Schritt in den neuen Lebensabschnitt, kommen automatisch neue Herausforderungen auf dich zu. In meinem Fall waren das sowohl berufliche, als auch soziale und organisatorische. Wenn du das erste Mal umziehst, gibt es einiges an Papierkram zu erledigen und zu beachten – damit möchte ich mich an der Stelle aber nicht weiter aufhalten – Google hilft 😉
Herausforderung Nummer 1 : Freunde finden!
Ich kannte wirklich niemanden in der neuen Stadt. Natürlich fehlen dann die sozialen Kontakte. Nun hatte ich ein Problem: meine Arbeitskollegen waren alle älter als ich. Ich verstand mich zwar gut mit Ihnen, aber man hatte dann doch etwas unterschiedliche Interessen. Nachbarn schieden auch aus – ich wohnte in einem Gebäudekomplex voller Rentner. Alleine losziehen und Leute ansprechen? Natürlich das wäre logisch – aber sei ehrlich: das ist gar nicht so einfach… Wo macht man das am Besten? Im Supermarkt? Was soll ich denn dann überhaupt sagen? Ich bin ganz ehrlich, es kam nicht nur einmal vor, dass ich aufgestylt in meiner Wohnung saß und dann wieder gekniffen habe. Es war frustrierend! Aber wie es der Zufall so will, dann doch einfach. Ich kam mit einer der Schüler-Aushilfen an unserer Kasse ins Gespräch. Sie lud mich direkt ein, mit ihr und ihren Freunden abends etwas zu unternehmen. Darüber habe ich dann wieder neue Leute kennengelernt…. Somit konnte ich einen neuen Freundeskreis schaffen.
Herausforderung Nummer 2 : Haushalt führen!
Natürlich habe ich meine Mutter schon als Kind dabei viel unterstützt und wusste was ich zu tun hatte. Aber wie bekomme ich das parallel zur Arbeit geregelt? Ohne Aufgaben aufzuteilen? Das ist gar nicht so einfach. Und Freizeit willst du ja auch haben. Ich habe versucht mich ein wenig selbst zu disziplinieren und z.B. nur wenig Geschirr angeschafft, damit ich einfach abspülen muss, weil nichts mehr da ist. Ein Abend kochen, am nächsten Reste essen und abspülen, parallel lief die Wäsche,… Also auch hier habe ich einen guten Weg gefunden mich zu organisieren und diesen Bereich in mein neues Leben einzubauen.
Herausforderung Nummer 3 : Der Job!
Einen neuen Job zu beginnen, bringt auch neue Aufgaben und Herausforderungen mit sich. Du kennst das natürlich – gerade am Anfang kommt man abends total erschöpft nach Hause und will nur noch ins Bett. Mit der Zeit kennt man den Tagesablauf und die Aufgaben und es fällt immer leichter.
Du siehst, ich hatte alles soweit gut im Griff und mir einen guten Alltag zusammengebaut. Mein Problem war: ich wollte mehr! Ich wollte alles super machen, alles perfekt, keine Fehler. Habe ich einen Fehler gemacht, habe ich mich direkt ertappt, schuldig und unwohl gefühlt und bin rot angelaufen. Den Fehler mache ich nicht noch einmal… Du denkst jetzt vermutlich: Hey ist doch nicht schlimm, Fehler passieren, du lernst das doch gerade erst alles. Jetzt sehe ich das natürlich genauso. Mein 19-Jähriges Ich aber nicht.
Selbstmanipulation
Gerade im Job habe ich alles geben wollen. Also habe ich mich noch mehr angestrengt, mehr reingearbeitet, versucht alles ganz schnell zu verstehen, perfekt zu können,… Im Gegenzug war mir Feedback ganz wichtig. Ich will gelobt werden, ich möchte die Anerkennung und auf meine Leistung stolz sein. Schließlich definieren wir uns ja über die Arbeit. Oder? Wir leisten einen Beitrag zur Gesellschaft, wir verdienen Geld damit und wir verbringen dort die meiste Zeit. Natürlich habe ich mich noch über meine Aufgaben hinaus engagiert: ich habe nach neuen Ideen und Verbesserungen gesucht. Nach Wegen um Abläufe zu vereinfachen und zu optimieren, um noch schneller sein zu können.
Ja ich war „nur“ eine Auszubildende, aber ich war auch ehrgeizig und zielorientiert – ich will ja schließlich Karriere machen. Man könnte erwarten, dass ein Chef sich über so ein fleißiges Arbeiterbienchen freut. Meiner nicht. Im Gegenteil: er hat mich nicht Ernst genommen, die Ideen als seine eigenen ausgegeben und mich nur belächelt. Das war sehr frustrierend und enttäuschend für mich. Ich wurde wütend, ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, was ich anders – noch besser – machen kann. Du schüttelst jetzt vielleicht den Kopf und denkst dir das selbe wie ich heute: Mensch Mädel, enstpann dich!
Spirale abwärts
Nein ich habe nicht entspannt. Mir ging es schlechter. Ich habe zum Ausgleich viel gefeiert, ich habe die Wohnung vernachlässigt, habe mich zurückgezogen und wurde immer ruhiger. Und traurig.
Das haben meine Freunde und meine Familie natürlich auch gemerkt: ich kann mich zwar gut verstellen und auch schauspielern, aber einen Oscar werde ich sicher nie verdienen. Ich bekam Probleme mit dem Magen, verlor an Appetit und hatte gefühlt jeden Tag vor der Arbeit Durchfall. Ich war häufiger krank und kam morgens immer schwerer aus dem Bett.
Dass mein Chef die Buchhandlung umbaut und dort eine Lotto-Stelle mit aufnimmt, hat die Sache auch nicht besser gemacht. Unsere Kundschaft änderte sich dementsprechend. Plötzlich muss ich mich von Kunden auch noch beschimpfen lassen. Ich stand fast nur noch an der Kasse – oder am Lottostand. Die Arbeit, die ich so gern gemacht habe, wurde mir immer mehr zur Last. Es wurde eintönig. Ich war unterfordert und frustriert. Auch meine Kollegen wurden immer verbitterter, haben gegeneinander gestichelt. Es ging sogar in Mobbing über. Und das bei intelligenten, erwachsenen Menschen. Neeee du, das reicht mir jetzt!
Kratz die Kurve!
Die Suche nach dem Ausweg
Was mache ich also? Hier gibt es keine Perspektiven für mich und nein, ich muss mich nicht so behandeln lassen. Ahhhh warte: ich kann doch studieren! Aber was? Und wo? Und ich kann doch meine Ausbildung nicht abbrechen oder? Dann stellt mich doch später niemand ein. Die Leute werden denken, ich gebe auf, ich habe versagt, ich war nicht gut genug. Ich war mir also sehr unsicher. Ich musste eine Entscheidung fällen, aber wie soll ich mich entscheiden? Und ich hatte viel Glück: ich hatte meine Familie und ich hatte meine Freunde.
Ich weiß nicht, ob ich damals den Mut und die Kraft gehabt hätte, den Schritt den ich dann gegangen bin auch alleine zu gehen. Du musst bedenken ich war erst süße 20 Jahre alt – da lässt man sich noch viel vom Umfeld und den Meinungen anderer beeinflussen. Du nicht? Ganz ehrlich nicht? Ich bin stolz auf dich! Und du kannst auch stolz auf dich sein!
Neue Sicherheiten schaffen
Was habe ich jetzt getan? Ich habe mich zuerst mit einer Beraterin vom Arbeitsamt getroffen (hör bitte nicht auf die Vorurteile, da arbeiten Menschen und keine Teufel!). Ich habe mit ihr über meine Ängste und Sorgen gesprochen, was das für Auswirkungen auf meine berufliche Zukunft haben kann. Wir haben alles einmal rational und mit Abstand betrachtet und legitime Gründe gefunden, die für einen Ausbildungsabbruch gesprochen haben. Dadurch war ich mir in der Entscheidung sicher, dass ich die Ausbildung vorzeitig beenden werde. Das wäre also erledigt.
Der nächste Schritt war es, einen Studienplatz zu finden. Die Bewerbungsfristen für Fachhochschulen habe ich verpasst. Für ein Psychologiestudium war mein Abi zu schlecht. Kunstgeschichte – verdammt ich kann mir keine Zahlen merken… Hm ok ich liebe Bücher immer noch, aber Verlagswesen ist zu speziell. Also was mit Wirtschaft, damit steht mir danach doch wieder die Welt offen… Also fing ich an mich fleißig zu bewerben.
Zieh es durch!
Erstmal kam eine Absage nach der anderen. Und dann endlich eine Zusage! Ich kann Medienwirtschaft studieren. Aber kann ich das wirklich? Gehe ich diesen Schritt? Wie soll ich das denn kommunizieren, dass ich kündig? Und dann muss ich hier weg, wieder umziehen, wieder ganz neu anfangen.
Als ich jetzt vor der finalen Entscheidung stand, kamen wieder neue Zweifel und Unsicherheiten auf. Aber mir war klar, dass ich diesen Weg gehen muss. Naja ich kann dir jetzt erzählen, dass ich die Schultern gestrafft habe, ins Büro meines Chefs gerannt bin und ihm die Kündigung hingeknallt habe. Aber das habe ich nur innerlich.
Tatsächlich war der finale Schritt für mich wirklich schwer. Es war schließlich eine lebensverändernde Entscheidung. Innerlich habe ich sie natürlich längst getroffen, aber nun musste ich es noch durchziehen. Du glaubst gar nicht wie befreit ich danach war! Ich konnte wieder lachen, ich war entspannt, ich habe meinen Job bis zum letzten Tag gemacht – aber ich habe mir nicht mehr den Arsch aufgerissen.
Ich bin erstmal wieder nach Hause gezogen. Dann ging es wieder von vorne los: Wohnung suchen, bürokratischen Papierkram erledigen,… Da ich schon einmal komplett bei Null angefangen hatte, hatte ich keine Angst und keine größeren Bedenken dabei, dass ich wieder einen Neustart hinlege. Im Gegenteil, ich war erfüllt mit der Vorfreude! Mit dieser positiven Nervosität, die das Herz flattern lässt, weil du dich ganz und gar auf etwas Neues, etwas Unbekanntes einlässt.
Dankbarkeit
Ich danke meinen Freunden und meiner Familie für Ihre Unterstützung. Ich danke dafür, diesen Weg gegangen zu sein. Für die Herausforderungen und Erlebnissen, an denen ich wachsen konnte. Und ich danke dir für’s Zuhören!
Wenn du Fragen hast oder Anmerkungen oder vielleicht deine eigene Geschichte erzählen möchtest, melde dich gerne bei mir!
Zusatz
Was ist aus psychologischer Sicht in dieser Geschichte tatsächlich passiert? Wenn du wissen möchtest, wie ich aus heutiger Sicht darüber denke und was für eine Rolle sie für mein Happy Burnout spielt: ich werde einen Beitrag aus distanzierter Sicht dazu schreiben und hier dann verlinken – hab etwas Geduld mit mir 😉
Wir befinden uns in einer Zeit, in der ein aktiver Wandel stattfindet. Jedem Wandel geht eine Ressourcen-Knappheit voraus. Uns hat Licht gefehlt – wir haben die Elektrizität erfunden. Danach fehlte uns freie Mobilität – tadaaa das Auto,… Was hat das jetzt mit Burnout zu tun? Ich möchte jetzt keinen Geschichtsvortrag beginnen, deswegen kürze ich an der Stelle ab: Durch den vorangegangenen Wandel und dem Fortschritt in Technik, Medizin und Wissenschaften, haben wir mittlerweile eine längere Lebenserwartung als noch vor 100 Jahren. Das heißt unser neues knappes Gut ist die Gesundheit. Nicht nur unsere eigene, sondern auch die unseres Planeten. Dieser aktive Wandel findet aktuell in allen Bereichen statt. Wir entwickeln neue Wünsche und Erwartungen an unser Leben. Dabei gibt es allerdings ein großes Problem: Wir leben noch die gesellschaftlichen Normen aus der Vergangenheit, die uns von unseren Eltern, Großeltern und dem sozialen Umfeld vorgelebt werden.
Wir halten uns an diesen Normen fest, obwohl wir neue Normen selbst definieren und diese leben möchten. Dadurch blockieren wir uns selbst und ändern auch nichts. Indem wir uns selbst blockieren und die alten Normen weiterleben, blockieren wir auch unser Umfeld sich zu entwickeln.
Daraus entstehen Emotionen, wir werden ggf. unglücklich, stecken in Routinen fest und rennen im Hamsterrad immer weiter bis zur körperlichen und emotionalen Erschöpfung. Wir sind mittlerweile kontinuierlich reizüberflutet und überlastet. Jederzeit erreichbar zu sein ist fast schon Grundvoraussetzung, sich in den sozialen Medien zu präsentieren wird zur Pflicht. Wir versuchen die Erwartungen unseres sozialen und beruflichen Umfelds gerecht zu werden und „brennen dabei ganz langsam aus“. Wir entwickeln also einen Zustand, der als Burnout bezeichnet wird. Es entwickeln sich neue Symptome, die für uns nicht wirklich greifbar sind, da diese in unserer Psyche stattfinden. Sei ehrlich: als du das erste mal gehört hast, dass es die „Krankheit“ Burnout gibt, was hast du da gedacht? Was soll das denn sein? Gibt es doch gar nicht? Mittlerweile werden wir immer häufiger mit dem Begriff konfrontiert und ich möchte gerne Vorurteile beheben, Hintergründe erklären und meine Erfahrungen mit dir teilen.
Aber warum soll ich mich denn damit beschäftigen?
Wir fangen erst an unser Leben zu hinterfragen, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Etwas für uns selbst gravierendes, dass wir nicht mehr so wie bisher weiterleben können. Erst dann sind wir für Veränderungen zugänglich. Auch ich musste erst an diese Grenze stoßen, durch die ich gezwungen wurde wirklich etwas zu ändern. Diese Grenze war für mich ein „Burnout“. Als sehr selbst reflektierender Mensch, war mir durchaus schon länger bewusst, was ich da trieb und dass es so nicht mehr lange laufen kann. Aber obwohl ich wusste, dass ich in meinem Leben etwas ändern musste, konnte ich diese Änderungen nicht durchziehen. Ängste, Gewohnheiten, Unsicherheiten und Gesellschaftsnormen bzw. das äußere Umfeld, haben mich davon abgehalten die notwendigen Schritte zu gehen und mein Leben bewusst und aktiv zu verändern. Ich habe mich quasi jahrelang selbst blockiert.
Akzeptiere, was du nicht ändern kannst, und ändere, was du nicht akzeptieren kannst
VERTELL?S CHAPTERS
Ich garantiere dir: es wird schwierig, spannend, emotional und chaotisch. Es wird Höhen und Tiefen geben – Gewinne, aber auch Verluste. Du wirst dich ändern und dabei auch belächelt werden. Manche Menschen werden dich auf deinem Weg unterstützen, manche werden sich abwenden und von manchen wirst du dich abwenden. Du wirst Kritik, aber auch Zuspruch bekommen und vor allem: Du wirst dich befreien, du wirst das Leben leben, für das du dich entscheidest!
Ich bitte dich: Warte nicht auf eine Krise, ein Trauma, einen Absturz! Sondern handle frühzeitig und erkenne deine Warnsignale! Hinterfrage dein Leben, sieh dir an wer du bist, wie du lebst, fühlst und handelst. Überlege, wie du dich siehst und wie du eigentlich sein möchtest. Bist du damit einverstanden und zufrieden? Super, dann nimm deine Situation, dein Leben so an und mache weiter so! Du bist damit unzufrieden und unglücklich? Sehr gut! Knüpfe genau da an, nimm dir einzelne Bausteine vor, gehe in dich, bohre nach und fang an etwas zu ändern!
Wie du das tun kannst? Genau vor dieser Frage stand ich auch – und tue es teils auch jetzt noch. Du kannst mich gerne auf meinem Weg und der Suche nach Antworten, Methoden und Veränderungen begleiten und natürlich auch deine Erfahrungen mit mir teilen.